Irgendwie war bei Bordermädchen Lucy alles anders. Doch der Tierarzt meinte, sie sei ganz normal. Bis Frauchen auffiel, dass sich ihre Hündin im Agility mehr an Farben und Formen, denn an ihren Zurufen orientierte - und es nun genau wissen wollte ... Roy, mein ältester Hund, war nicht gerade begeistert davon, als ich Lucy, ein freches Bordermädchen, im Alter von 4 Monaten aus Italien mitbrachte. Zunächst wollte er sie gleich mal im Bach "ertränken" - indem er zuerst die Böschung hinunter lief und Lucy ihm natürlich folgte. Dann dreht er gerade rechtzeitig ab, während mein Mädel mit einem lauten Plumps ins Wasser fiel ... Ich hatte alle Hände voll zu tun, um sie da wieder herauszufischen. Freudig - aber "stur" Lucy war immer zu Späßen aufgelegt: Mal zog sie den schlafenden Roy an der Halskrause durch das ganze Vorzimmer, mal klaute sie die Agility-Slalomstanden aus der Verankerung. Bei Heelwork-Vorführungen (Dog Dancing) stahl Lucy, während sie auf ihren Auftritt wartete, den Rasenziegel aus dem Boden des Vorführparketts und beschäftigte damit die Zuschauer. Als sie ein Jahr alt war, begann ich mit dem Agilitytraining. Voll Freude sprang Lucy über die 20 cm hohen Hürden, jedoch ließ sie sich dabei in keiner Weise kontrollieren - und so stellte ich das Training mit ihr wieder ein. Vielleicht würde es mit Obedience besser gehen. Aber Lucy hatte keinen Spaß daran. Enttäuscht machten wir mal 4 Monate Pause und probierten es dann noch einmal mit Agility. Es dauerte sehr lange, bis Lucy begriff, dass dieses Spiel nur dann funktioniert, wenn wir als Team fungieren. Unser erster Antritt war ein totaler Reinfall. Lucy warf jede Menge Stangen, und die, die sie nicht warf, unterlief mein Bordermädel ganz einfach. Beim Slalom lief sie generell vorbei, so als ob die Stangen nicht da wären. Und die Kontaktzonen? Was sind schon Zonen ?! Abspringen und schnell sein, das war ihre Devise. Lucy war anders. Bald begriff ich, dass mein Mädchen die Geräte anders "sah" als andere Hunde. Lucy orientierte sich nach Farben und Formen. Und mir fiel immer mehr auf, dass ich sie beim Turnier durch Zurufe nur irritierte. Also lief ich mit immer weniger Worten. Mehr und mehr ließ mich der Gedanke nicht los, dass Lucy nicht einfach "stur", sondern vielleicht taub sein könnte. So ging ich mit ihr zum Arzt. Dieser jedoch bezeichnete sie als völlig normal, meint aber, dass eine 100%ige Sicherheit nur durch eine Audiometrie möglich sei, wofür aber eine Narkose nötig wäre. Das wollte ich aber nicht, und so verwarf ich zunächst meine Gedanken wieder. Und je älter die Hündin wurde, umso mehr lernte sie mit meiner Gestik und den Lippenbewegungen umzugehen, für den Rest orientierte sie sich am Rudel. Wollte es endlich wissen Doch dieses Jahr wollte ich es endlich wissen, und ließ Lucy einer Audiometrie in Narkose unterziehen. Der Arzt staunte nicht schlecht, als er eine 95%ige Taubheit diagnostizierte. Auch er hatte sich, so wie viele andere, von meinem Mädel "täuschen" lassen. Lucy kann rechts absolut nichts hören und links nur zu 5%. Sie kann daher auch keine Kommandos verstehen, und mit dem linken Ohr nur ganz prägnante Töne wahrnehmen. Mit einem Mal wurde mir klar, was dieser Hund bis dato alles geleistet hat. Beschämt, sie für "stur" gehalten zu haben, fuhr ich wieder nach Hause. Seit mir klar ist, dass mein Mädel taub ist, arbeite ich nur noch mit Handzeichen. Mehr und mehr wird mir jetzt bewusst, wie sehr wir uns alle auf unsere Stimme verlassen, die jedoch nicht immer gleich ist. Nicht wenige Hunde werden bestraft, weil sie den einen oder anderen Befehl nicht ausführen, aber Hand aufs Herz - sind wir nicht selber schuld daran?! Beobachten Sie sich einmal selbst, wie viele verschiedene Handzeichen der Hund fürs "Sitz" bekommt. Geschweige denn im Hundesport ... Ich glaube an sie ... Lucy ist jetzt um so vieles glücklicher, seit ich ihr "Geheimnis" weiß, und ich bringe sehr viel mehr Verständnis für sie auf. Mein Mädchen fungiert derzeit als Lehrerin - und ich bin ihre beste Schülerin. Das, was Lucy mich jetzt lehrt, hilft vielen anderen Hunden. Sie hat nie aufgegeben, an mich zu glauben, und nun bin ich es, die an sie glaubt. |